Umbruch in Bangladesch

Beginn einer neuen Ära?

 

Seit mehr als 40 Jahren unterstützen wir die Menschen in Bangladesch, einem Land, das erst 1971 unabhängig wurde. Bangladesch ging einen schwierigen Weg, aber es weist seit langem hohe Wachstumsraten auf. Nur kommt das Wirtschaftswachstum bei den Ärmsten nicht an.

Im Januar gab es Wahlen, und wenig überraschend wurde erneut Sheikh Hasina zur Premierministerin gewählt. Schon im Vorfeld der Wahlen kam es zu schweren Unruhen, laut Berichten unabhängiger Beobachter wurden in dieser Zeit etwa 10.000 Oppositionelle eingesperrt

Die politischen Unruhen hielten auch nach den Wahlen an. Die meisten Oppositionsparteien hatten die Wahlen boykottiert, weil sie keine faire Durchführung erwarteten. Zu stark dominierte Sheikh Hasina das politische Geschehen und die Medien. Die Situation explodierte im Juli, als die Regierung ein neues Gesetz in das Parlament brachte, das 90 Prozent, später nur noch 70 Prozent der Stellen in der staatlichen Verwaltung ihren eigenen Anhängern sichern sollte.

Bei den jungen Menschen, die mit einem guten Schulabschluss und selbst mit abgeschlossenem Studium kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, brachte dieses Gesetzesvorhaben das Fass zum Überlaufen. Was folgte, waren Demonstrationen, die zu Straßenkämpfen ausarteten, eine Staatsmacht, die versuchte, die Demonstranten mit Gewalt einzuschüchtern und von der Straße zu entfernen, viele Festnahmen, tausende Verletzte sowie bis zu 600 Tote – womöglich waren es sogar deutlich mehr.

In dieser Zeit ist die Regierung nicht nur mit ihren Sicherheitskräften mit großer Brutalität gegen die überwiegend sehr jungen Demonstrant*innen vorgegangen. Sie hat auch für mehr als eine Woche alle Telefonverbindungen blockiert. Auch das Internet war komplett blockiert, einschließlich Emailprovidern und allen Social Media, so dass auch wir keinerlei Kontakt mehr zu unseren Partnerorganisationen hatten.

Auch ein Urteil des obersten Gerichts, das die Pläne der Regierung einkassierte, konnte die Situation nicht mehr dauerhaft beruhigen. Das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte heizte den Hass gegen die Regierung weiter an. Die Situation eskalierte schließlich im Sturm des Regierungssitzes. Sheik Hasina musste per Helikopter nach Indien fliehen.

Das Militär ergriff nun die Macht, aber in einer kurzen Phase des Chaos kam es trotzdem zu Plünderungen, Übergriffen gegen ethnische Minderheiten und laut Angaben unserer Partnerorganisationen vereinzelt zu Morden. Landesweit blieben viele Polizeistationen geschlossen. Fast alle waren vorher schon angegriffen worden, und die Polizeichefs hatten Angst vor weiteren Übergriffen.

Durch die Einsetzung einer Übergangsregierung mit dem Friedensnobelpreisträger Professor Muhammad Yunuz als Interims-Regierungschef konnte das Militär innerhalb weniger Tage die Ruhe wiederherstellen. Ihre Aufgabe ist nun, freie und faire Wahlen abzuhalten. Viele würden Prof. Yunuz gern längerfristig als Regierungschef sehen, doch mit seinen 84 Jahren steht er für eine längere Amtszeit nicht bereit. Ihm fehlt dafür zudem die demokratische Legitimation.

Trotz der gewalttätigen Auseinandersetzungen und des folgenden Umbruchs laufen unsere Projekte inzwischen wieder ungestört weiter. Wir freuen uns, dass unsere Partnerorganisationen diese schwierige Situation gut überstanden haben, und setzen unsere wichtige Arbeit für die Menschen dort natürlich fort. Zu hoffen bleibt, dass dieser Umbruch für die weitere Entwicklung des Landes positive Impulse bringt, indem zum Beispiel eine neu gewählte Regierung größeren Wert auf soziale Sicherung legt und Menschen besser unterstützt, die dringend Hilfe benötigen. Denn die Not der vielen Armen in Bangladesch bleibt weiter ein drängendes Problem.

 
Holger Trechow
 

Projekte

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